Stoppt Racial Profiling!

22 Jun

(via)

Ein ehrwürdiges Thema, um nach so langer Zeit mal wieder einzusteigen: Stellt euch vor, ihr müsstet nur über einen belebten Platz gehen und würdet mit hoher Wahrscheinlichkeit von Polizisten angehalten und kontrolliert. Stellt euch vor, ihr säßet im Zug und müsstet als einziger euren Personalausweis bei den Kontrolleuren vorzeigen. Stellt euch vor ihr streitet mit einem Freund in der Öffentlichkeit und habt am Ende eine Strafanzeige am Hals und 2500€ Strafgeld. Wovon redet die Alte da, denkt ihr nun?

Es geht um Racial Profiling – die Fahndung von Menschen nach rassistischen Kriterien. Der Begriff stammt ursprünglich aus der US-amerikanischen Kriminalistik und hat auch längst in Deutschland Einzug gehalten. Kaum zu glauben, aber selbst in einem liberal-demokratischem Land wie dem Unseren, werden proportional häufiger schwarze Menschen oder andere nicht-Weiße beobachtet, kontrolliert und verdächtigt. Sobald sie sich gegen rassistisch anmutende Inspektionen jedoch wehren, ihren Verdacht äußern und ihren Personalausweis nicht vorzeigen, wird in den allermeisten Fällen direkt gehandelt und mitgenommen. Was anschließend auf Deutschlands Polizeirevieren passiert, kann selten nachvollzogen bzw. angeprangert werden: Viele berichten von psychischen und körperlichen Misshandlungen – traumatisierende Ereignisse hinter schalldichten Türen.

Das sind doch nur Einzelfälle, sagen viele – Rassismus existiert bei uns doch gar nicht, vor allem nicht auf institutioneller Ebene…weit gefehlt: Es geht nicht um den Rassismus, den wir mit der braunen Soße am Rande der Gesellschaft verbinden. Es geht um jenen Rassismus, den jeder von uns in sich trägt, den wir mit der Muttermilch aufgesogen haben. Weiße sind besser als Schwarze – dieses mentale Konzept steckt nicht nur in weißen Köpfen, auch die aus den Kolonien geprägten Schwarzen tragen solches Gedankengut in sich: Pippi Langstrumpf besucht ihren Vater, den ‚Neger‘-König, und alle ‚Neger‘ müssen sich vor ihr verbeugen. Hat sie denn keine Angst vorm schwarzen Mann? Vielleicht liegt es daran, dass sie nie schwarzfährt und auch nicht das schwarze Schaf in der Familie ist.

Auch die Medien tragen ihren Teil dazu bei, dass positive Rassismen auf allen Kanälen zu uns gelangen: Schwarze Männer werden mit Trommel-Musik begleitet, Frauen mit schwarzer Haut können immer gut singen. Spielt bei GZSZ auch nur ein nicht-Weißer mit, dann spricht er wenigstens gebrochen Deutsch, so wie man das halt von Ausländern kennt. Festsitzende Konstrukte kleben wie zäher Schleim in unseren Köpfen und verleiten selbst die tolerantesten Menschen zu falschen Annahmen: Schwarze seien öfters in Drogendelikte verwickelt als Weiße, sie seien häufiger kriminell und müssten intensiver kontrolliert und überwacht werden. Es ist jedoch genau anders herum: Weil schwarze Personen strenger observiert werden, erwischt die Polizei schwarze Straftäter auch häufiger. Würde sie ihr Augenmerk genauso intensiv auf weiße Verdächtige legen, sähe die Statistik anders aus.

Racial Profiling ist ein ernst zu nehmendes Problem in Deutschland. Die Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt, kurz KOP, dokumentiert einzelne Fälle und unterstützt diejenigen, die menschenverachtenden Zuständen unterworfen waren. Vor allem den Rechtsbeistand kann man bei solchen Organisationen wie KOP oder auch der ISD, Initiative Schwarze Menschen in Deutschland, finden. Oftmals ist die Anzeige gegen Polizeibeamte nämlich ein Kampf gegen mächtige Gegner, die sich mit allen Mitteln zu wehren wissen (Gegenanzeige wegen Verleumdung, etc.). Am 28. Februar wurde am Koblenzer Verwaltungsgericht sogar entschieden, „dass Beamte der Bundespolizei Reisende […] jedenfalls auf Bahnstrecken, die Ausländern zur unerlaubten Einreise oder zu Verstößen gegen das Aufenthaltsgesetz dienen, verdachtsunabhängig kontrollieren [dürfen]. Es ist ihnen bei Stichprobenkontrollen nicht verwehrt, die Auswahl der anzusprechenden Personen auch nach dem äußeren Erscheinungsbild vorzunehmen.“ Racial Profiling wird hier also eindeutig legitimiert, ein Tatbestand, der gegen das Grundgesetz verstößt: Artikel 3 des deutschen Grundgesetzes “Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich” und “Niemand darf wegen […] seiner Abstammung, seiner ‚Rasse‘, […] benachteiligt oder bevorzugt werden” (Dass im Grundgesetz noch von Rasse die Rede ist, sollte unbedingt geändert werden).

Die ISD, auf deren Podiumsdiskussion zum Thema „Stoppt Racial Profiling“ ich diese Woche war, hat eine Online-Petition gestartet, die eine Revision des Koblenzer Urteils fordert sowie eine Meldepflicht aller Rassismus-Vorwürfe gegenüber der Polizei, die von einer unabhängigen, von geschultem Fachpersonal besetzten Stelle geprüft und archiviert werden. Ich wäre euch allen verbunden, wenn ihr diese unterschreiben würdet:

Online Petition „Stoppt Racial Profiling“

Nachtrag: Dem Fall des Studenten, dessen Anklage gegen die Polizei wegen Racial Profiling beim Verwaltungsgericht Koblenz abgewiesen wurde, wurde am 311.10.2012 im  Oberverwaltungsgericht in zweiter Instanz stattgegeben – ein wichtiger Schritt gegen den instituationellen Rassismus: http://www.spiegel.de/unispiegel/wunderbar/schwarzer-student-gewinnt-prozess-um-widerrechtliche-polizei-kontrolle-a-864589.html

2 Antworten to “Stoppt Racial Profiling!”

  1. Phire 03/07/2012 um 18:29 #

    Interessant und erschreckend. In Berlin ist mir dieses Profiling übrigens besonders aufgefallen. Dort wurden gerade in Friedrichshain immer wieder Schwarze nach den Personalien gefragt, was mir immer ziemlich diskriminierend vorkam, denn ich stand als Weißer daneben und wurde nie untersucht…

  2. phillippine 04/07/2012 um 12:00 #

    Aus Berlin war auch jemand in der Podiumsdiskussion zum Thema vertreten, der von den untragbaren Zuständen in der Hauptstadt berichtet hat: Gruselig! Wir sollten als Weiße nicht mehr nur daneben stehen, sondern auch was sagen – auf die Gefahr hin, dass man wegen Verleumdung Ärger bekommt – aber nur so kann Racial Profiling ins Bewusstsein gerückt und damit abgebaut werden…

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